Turkmenistan vom 15. - 19. Mai 2004

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Obwohl wir ausreisen, umfasst das Prozedere neun verschiedenen Stationen, an denen entweder das für die gelangweilten iranischen Grenzbeamten interessante Fahrzeug begutachtet, unsere Paesse oder irgendwelche handgeschriebenen Kontrollzettel geprueft werden.

So erscheinen wir mit einiger Verspaetung an der turkmenischen Grenze, wo uns Angelina vom Tourorganisator erwartet. Das Einreiseverfahren in nunmehr russischer Sprache erfordert einiges an Finger-Spitzengefuehl, um nicht zu viele Informationen (was erfahrungsgemaess nur zu weiteren Komplikationen fuehrt) zu geben und/oder das richtige Mass an Draengen zur Beschleunigung oder Hilfe zu finden, wenn die Beamten die Dokumente von vorn und hinten und verkehrt herum gruendlich studieren. Die ersten fuenf Bueros absolvieren wir speditiv. Man knuepft uns 125.- US $ ab fuer fuenftaegige Strassenbenuetzung ab. Wir erklaeren uns bei der grenzsanitaerischen Untersuchung, waehrend der die Beamten zum Glueck mehr an ihren parallel gefuehrten Unterhaltungen mit Kollegen und gleichzeitigem Mittagessen interessiert sind, als komplett gesund und bei Verstand. Mit der Einfuhr des schweizerischen Fahrzeuges sind die Grenzer dann bei Customs ueberfordert. Unzaehlige Male werden in aufsteigender Hirarchie Vorgesetzte konsultiert, ohne dass man zu einer Loesung gelangt. Wir erklaeren uns schliesslich grosszuegig mit einem reduzierten Verfahren ohne vielfache turkmenische Einfuhrdokumente einverstanden und koennen sie dazu bewegen, die Einfuhr ganz einfach mit einem Stempel in unserem Carnet de Passagem (welches fuer Turkmenistan eigentlich gar nicht gueltig ist) zu besiegeln. Grosse Erleichterung allerseits - hinter uns hat sich bereits ein Stau von verstaendnisvollen Lastwagen-Chauffeuren, die solche Palaver und Verzoegerungen gewohnt sind, gebildet. Zum Abschluss folgt eine flüchtige Besichtigung unseres Campers, der immer grosses Interesse erweckt, durch Hinz und Kunz. Dann winken wir nach drei Stunden Abfertigung dem letzten Gate-Posten zu.

Wir sind neugierig auf das seit 1991 von der ehemaligen UdSSR unabhaengige Turkmenistan. Es wird dominiert vom ersten und einzigen Praesidenten, Saparmurat Niyazov, dem selbst ernannten "Hero of the Turkmen People", Turkmenbashi. Waehrend des ganzen Aufenthaltes verfolgt uns sein Bild ab jegwelchen Gebäuden, begleitet von den markigen Worten "Halk, Watan, Turkmenbashi", uebersetzt Volk/Nation/ich, mit denen er seine Landsleute zu Fleiss und Arbeit anhaelt.

Von der Schweiz aus hatten wir uns fuer teures Geld Visa und das dafuer verlangte Reisearrangement besorgt. Dies erlaubte uns eine Transit-Durchfahrt innert drei Tagen von Sarakhs an der iranischen Grenze ueber Mary nach Farab an der usbekischen Grenze. Obligatorisch fuer motorisierte Besucher ist das Mitfuehren eines turkmenischen Guide und Uebernachtungen im Hotel, Camper hin oder her. Unterwegs konnten wir per E-mail noch eine Verlaengerung des Aufenthalts erwirken, was uns den Besuch der Hauptstadt Ashgabat ermoeglichte. Fuer lokal "betraechtliche" weitere US $ 100.-, darin eingeschlossen administrative Umtriebe und zwei Uebernachtungen mit Fruehstück, werden wir waehrend zwei sogenannten "self days" ohne Begleiter im angenehmen Hotel Aziya am Berzengi eingecheckt. Das Nachtessen im hoteleigenen chinesischen Restaurant ist vorzueglich und wird von einem perfekt englisch sprechenden Kellner mit weissen Handschuhen serviert (2 Personen alles inkl. US $ 17.-).

Ashgabat wurde nach dem katastrophalen Erdbeben von 1948 total neu mit breiten, quadratisch angeordneten Srassen aufgebaut. Sie ist fast klinisch sauber und voller meist gepflegter Gruenanlagen. Ueberall begegnet man Putz-Kolonnen von Staates wegen, die mit mehr oder weniger Inbrunst Blaetter und Staub wischen, wohin bleibt uns schleierhaft. Am ersten Abend besuchen wir die Turkmenbashi Memorials. Bis wir sie zu Fuss vom Hotel aus erreichen, praesentieren sie sich allerdings bereits in nicht minder beeindruckender naechtlicher Grossartigkeit mit unzaehligen beleuchteten Springbrunnen, Statuen und natuerlich dem grossen goldenen, Tag und Nacht bewachten Abbild des Staatsoberhauptes samt einer Darstellung seines wichtigen Buches Ruhnama.
Wie viele Einwohner besuchen wir heute, 16. Mai, den bekannten sonntaeglichen Tolkuchka-Markt ausserhalb der Stadt. Den Weg dahin kann man nicht verfehlen, man folgt ganz einfach der Autokolonne. Das Areal ist riesig, staubig und heiss - wir sind nicht die Einzigen die schwitzen, hoechstens die einzigen Fremden. Was fuer uns ist nur bunte Unterhaltung, ist fuer den Einheimischen zweckmaessiger und zu etwa 20% guenstigerer Einkauf alltaeglicher Waren als in den Laeden. Nach 13.oo h endet das Handeln und Feilschen. Der Markt loest sich auf und Alles quetscht sich in die heissen Autos und klapprigen Busse zur Heimfahrt zum gemuetlicheren Teil des Sonntags.

Wir hingegen "arbeiten" uns durch die Stadt, bestaunen Erdbeben und Kriegs-Denkmal, lassen uns auf den 75 m hohen Arch of Neutrality hochfahren und geniessen das Panorama. Wir ueberblicken den breiten Powrize Highway, der jeden Morgen und Abend eine Stunde lang fuer den oeffentlichen Verkehr gesperrt wird, damit der Präsident ungehindert von seinem Wohnsitz zum Stadtpalast am Independence Park gelangen kann.

Turkmenistan mit 488 km2 und gut 5 Mio. Einwohnern hat grosse Erdoelreserven, fördert aber praktisch nur Erdgas aus seinen riesigen Vorkommen. Die Einnahmen daraus verpuffen aber in unnützen Prestigebauten, wie wenn z.B. im Auftrag des Präsidenten von tuerkischen Bauunternehmen an der Peripherie von Ashgabat riesige Hochhaeuser erstellt werden. Nachts ergeben sie zwar eine schöne Skyline und sind beleuchtet, obwohl alle leer stehen. Erstens traut niemand deren statischen Berechnungen, hört man doch bei jedem Erdbeben im Heimatland der ausführenden Türken von grossen Zahlen an Opfern unter eingestürzten Gebäuden. Zweitens kann sich kaum einer eine Wohnung von 90-120m2 für etwa 20-25'000.- US $ bei staatlichen Salären von gerade etwa US $ 50.- leisten oder den verlangten Nachweis offiziellen Einkommens erbringen, da man sich generell eher mit "Mischeln", halbseidenen Geschäft und Devisen-Transaktionen über Wasser hält.

Wir erleben die Bevoelkerung, eine ethisch gemischtes Volk von ueber 80% Turkmenen und Minderheiten von Usbeken, Russen und Kazaken, als freundlich korrekt, aber reserviert. Nur selten werden wir spontan angesprochen. Die Stadtbewohnerinnen tragen wadenlange, fliessend geschnittene, ja geradezu elegante kurzaermelige Röcke in kräftigen Farben mit bestickten Einfassungen am Hals und Ausschnitt. Die Landfrauen und Usbekinnen speziell neigen zu bunterer Kleidung und scheinen vor allem rot zu lieben. Selbst in der Sommerhitze sind bei den Männern kurze Hosen verpoent. Offizielle Festtage sowie zusätzliche Feiertage soll es unzaehlige geben, da die Turkmenen laut unserem Guide Oleg weitaus mehr zum Feiern als zum Arbeiten neigen.

Am Montagmorgen um 9.ooh verlassen wir unter der Führung von Oleg, dem uns zugeteilten Guide, die Hauptstadt in westlicher Richtung. Kultur ist angesagt: Namazga Depe sind nur zwei begrünte Erdhügel, die aber Reste uralter Siedlungen enthalten. Beim zweiten Stop, Anau oder in Neolithischer Zeit als Bagabad bekannt, steige ich noch aus und besichtige die vom Erdbeben noch verschonten Reste der Moschee aus dem 15. Jht., ein für Moslems heiliger Platz. Dann büsse ich für die Völlnerei der letzten beiden Abende und kann den Erklärungen nicht mehr folgen. Vermutlich vom recht fetten chinesischen Essen habe ich Krämpfe, Dünnpfiff und Bogenhusten. In Abileh, einem grossen Ruinenfeld, überlasse ich die Erweiterung der Allgemein-Bildung gänzlich Fredy.

Immer wieder müssen wir unterwegs an Strassensperren halten, den jungen Soldaten Ausweise und Fahrerlaubnis zeigen, obwohl sie mit denen relativ wenig anfangen können. Bis auf einen kurzen Mittagshalt gelangen wir dann ohne weitere Zwischenstops über Kaahka und ein in den Ausläufern des Garagum gelegenes tristes, staubiges Kaff, Tedzhen, nach Mary. Ein Zimmer ist für uns reserviert im Sanjar Hotel. Eine Empfangschefin kassiert unsere Pässe, mit Begleitung werden wir in den zweiten Stock geschickt. Auf jeder Etage sitzt dann nochmals eine Concierge, die gegen den Registrierzettel uns den effektiven Zimmerschlüssen und gräuliche Frottierwäsche übergibt. Bei uns würde derartige Unterkunft vermutlich mit Minus-Sternen klassiert! Beim Betreten des Zimmers muss man sich nicht fragen, wo WC/Dusche sind - man folgt ganz einfach dem Geruch. Die zwei einzelnen Liegen sind mit Tüchern und Decken bedeckt, die man oder besser gesagt wir, lieber nicht berühren, geschweige denn sich damit zudecken möchte. Fenster und Balkontüre sind zugekittet. Eine wacklige Klima-Anlage ist darin eingefügt - laut Oleg sollte sie funktionieren. Uns interessiert das wie auch die verfleckten Teppiche längst nicht mehr, da für uns feststeht, dass wir im Camper übernachten. Wir treffen uns nach etwas Ruhezeit und gehen gemeinsam zum Nachtessen in ein Kafe: Gut gewürzte und gegrillte Schweinsrippchen, Lamm-Kebab und dazu das für hier typische runde Fladen-Weissbrot. Fredy versucht ein hiesiges Bier, Oleg deren vier, ich bleibe zur Beruhigung des Magens bei Cola. Kostenpunkt umgerechnet 6 US $. Wir schlafen göttlich, denn nach über 35o C am Tage kuehlt es nachts auf etwa 19o C ab.

Unsere heutige Route führt uns führt über eine akzeptable Strasse, auf der Fredy von der Strassenpolizei mit Handradar-Gerät wegen unerlaubten 75 km (PWs dürfen 90 km/h, LKW und Minibus, als was wir hier gelten, mit 70 km/h fahren) gestoppt wird. Das hat aber für uns Touristen und dank Oleg's Verhandlungen keine Folgen. Bajaramly gilt wegen seiner extrem niedrigen Luftfeuchtigkeit als speziell geeignet für Kranke mit Nierenproblemen. Tsar Niklaus II hatte gar Pläne, einen Kurort da zu bauen, wurde aber von der Revolution 1917 dabei unterbrochen.

Oleg ist begeistert von Geschichte und klärt uns über die jahrtausende alte Geschichte von der Oease am Murgab mit seinen wechselnden Namen, heute unter Merv bekannt, angefangen 6000 v. Chr. über Bronze-Zeit und Besetzung durch abwechselnd Alexander dem Grossen, den Persischen Sassanians, Seljuq Tuerken, Mongolen ueber die russische Annektion von 1884 bis zum heutigen Tage und seinen vielen aerchologischen Details auf.

Nach einer erneuten Uebrnachtung in Mary starten wir um 8.3o h und passieren Bajramaly auf der Umfahrungsstrasse. Die russische Vergangenheit manifestiert sich in rostigen, inzwischen nicht mehr in Gebrauch stehenden Industrieanlagen. Die Landschaft ist topfeben, eher langweilig. Hauptsächlich angebaut wird hier Baumwolle, aber die Felder fangen erst an zu grünen - Erntezeit ist ab August bis Oktober. Zwischen den Aeckern liegt Brach- oder jetzt trockenes Marsh-Land. Ganze Kolonnen von Frauen, manchmal Schülern, vielfach Soldaten trifft man entlang der Strasse. Den ganzen Tag hacken sie in der brütenden Sonne Unkraut, ohne dass man am Abend einen Unterschied zwischen un- resp. bearbeitetem Seitenstreifen sehen könnte. Wie schon gestern müssen wir unzählige Male an Strassenkontrollen halten, an denen entweder nur ein kurzer Wortwechsel oder aber eine Eintragung von Hand der Angaben in unseren Pässen in Bücher erfolgt, für den sich wahrscheinlich kein Schwanz je mehr interessiert.

Wir kommen durch Ausläufer der Garagumy Wüste, die keine Sandwüste sondern eine Steppe ist. Einzelne Dünen sieht man zwar, doch sind sie immer Zeichen, dass dahinter eine kleine triste Ortschaft liegt und die Wanderung des Sandes künstlich aufgehalten wurde. Die Fahrt ist ziemlich rumplig. Die unzähligen Flicken haben nur wenig zur Verbesserung der Strassenoberfläche beigetragen, aber immerhin füllten sie die schlimmsten der 15-20 cm tiefen Schlaglöcher. Es wurden aber noch genügend übrig gelassen, so dass man ständig am Ausweichen und hin- und her navigieren ist.
In Chardzhev, heute Turmenabad, wenig nach 12.oo h verfolgen uns die letzten Bilder und Sprüche des Lokalheros. Für die Ueberquerung des breiten, mit braunem trüben Wasser gefüllten Amudar'ja auf einer wackligen Ponton-Brücke bezahlen wir die stolze, unverhältnismässig hohe Gebühr von US $ 50.- plus Manat 38'000.- Brückenzoll. Die Strasse windet sich dann ohne jegliche Beschilderung durch trostloses Gebiet nach Farab und schliesslich zur Grenzstation. Lastwagen stauen sich, es ist noch Mittagspause. Oleg erledigt für uns die meisten Formalitäten. Obwohl die Einreise-Abfertigung so lange gedauert hatte, fehlt uns ein Papier, eine spezielle Einreise-Deklaration, was aber niemanden aufregt. Am Schluss müssen wir noch zur Gesichtskontrolle vortraben. Es ist fast peinlich, wie die Einheimischen wegen uns zur Seite geschoben werden. Ihr Gepäck wird kleinlichst durchsucht und sie werden von ihren eigenen Landsleuten mehr schikaniert als wir.

Wir bedanken uns bei Oleg für seine Dienste und rollen nun wieder eigenständig zum usbekischen Schlagbaum, der sich mit dem Zauberwort Touristi rasch öffnet.

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